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Diskussion um Stichwahl wird fortgesetzt

 

Auch nach der Kommunalwahl geht die Diskussion um die Bürgermeisterwahlen ohne Stichwahl weiter. Die Initiative »Mehr Demokratie« kritisiert, daß am Wahlsonntag 101 Bürgermeister und Landräte nur von einer Minderheit gewählt worden seien (Süddeutsche Zeitung, Kritik am neuen Wahlrecht, 01.09.2009, S. 7). In Wülfrath reichten 27 Prozent, um Bürgermeisterin zu werden (ebd.).

Nordrhein-Westfalens Innenminister Wolf (FDP) verwahrte sich gegen die Kritik. 75 Prozent der gewählten Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte hätten mehr 50% bekommen, weitere 18% mehr als 40% (Pressemitteilung Innenministerium). Zudem verwies Wolf darauf, daß alle Direktmandate bei Bundes-, Landtags- und Kreistagswahlen mit relativer Mehrheit bestimmt würden.

Letzteren Hinweis hätte er sich besser gespart, denn er übersieht, daß die Mehrheitswahl mit relativer Mehrheit für den gewählten Direktkandidaten bei Bundes- und Landtagswahl vom Verhältniswahlrecht überlagert wird. Das Mehrheitswahlrecht bei den Direktmandaten entscheidet zwar durchaus mit relativer Mehrheit (also auch weniger als 50%) über den Kandidaten der einzieht, jedoch nicht über die Zusammensetzung des Parlaments. Dies geschieht bei der personalisierten Verhältniswahl praktisch ausschließlich durch die Zweitstimme, ein Prinzip, das allenfalls im Falle von sogenannten Überhangmandaten, die nicht ausgeglichen werden, durchbrochen wird.

Weil letztlich die Zusammensetzung des Parlaments durch die Verhältniswahl, also durch die Zweitstimme bei der Wahl, bestimmt wird, ist der Mangel, daß einzelne Abgeordnete mit nur relativer Mehrheit gewählt werden, hinzunehmen. Weil letztlich die Zusammensetzung des Parlaments durch die Zweitstimme entschieden wird, werden auch jene Wähler/innen repräsentiert, die den Direktkandidaten nicht gewählt haben.

Bei den Wahlen zum Oberbürgermeister, zum Bürgermeister oder zu den Landräten liegt die Sache anders. Hier wird über das konkrete Amt mit einem Mehrheitswahlrecht entschieden. Der Gewinner bekommt somit alles. Jene Wähler/innen, die sich für einen anderen Bürgermeisterkandidaten entschieden haben, werden durch den gewählten Bürgermeister gar nicht repräsentiert. Dieser Mangel war bislang letztlich dadurch zu ertragen, daß es für den Fall, daß kein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen der Wähler/innen auf sich vereinen konnte (mehr als 50%), zwischen den beiden bestplatzierten Kandidat/innen eine Stichwahl stattfand, die dann mit absoluter Mehrheit für den/die einen oder anderen Kandidaten/Kandidatin entschieden wurde. So wußte letztlich der/die gewählte Kandidat/in die Mehrheit der Wähler/innen hinter sich und war ausreichend legitimiert.

Auch wenn Minister Wolf es für eine ausreichende Legitimation halten mag, wenn ein/e Kandidat/in mehr als 40% der Stimmen auf sich vereinen kann, kommt er um die Tatsache nicht herum, daß der/die betreffende Kandidat/in nicht die Mehrheit der Wähler/innen hinter sich hat und von einer Minderheit gewählt wurde. In Fällen, in denen die gewählten Betroffenen unter 40% oder gar unter 30% erzielt haben, ist dieser Mangel indes besonders deutlich, er besteht jedoch auch bei Gewählten, die unter 50% der Wähler/innen hinter sich scharen konnten.

Eindeutig irrt Minister Wolf, wenn er in seiner Pressemitteilung dann auch noch die Prozentzahlen jener Abgeordneten denen der Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte gegenüberstellt, die jeweils unter 50% erhalten haben, denn wie oben ausgeführt, wird das Parlament, in welches jene Direktkandidaten über das Mehrheitswahlrecht gewählt werden, in erster Linie durch die Verhältniswahl der Zweitstimme legitimiert. Es bleibt dabei: Eine Stichwahl zur Stärkung der Legitimation der gewählten Kandidat/innen bleibt nach wie vor sowohl aus demokratietheoretischer Sicht als auch aus praktischen Erwägungen notwendig.

© Udo Ehrich 02.09.2009