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Bildungsmonitor 2021

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Mangelnde Distanz der Medien

Essaywettbewerb

Klassiker der INSM

Maul halten!

»Die ewige Rentenlüge«

Der gordische Knoten

 

insm-kampagnen.de

Buch: INSM & Co

 

INSM & Co...

Die mangelnde Distanz der Medien

 

Wer sich mit interessengebundenen Ideenagenturen wie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft oder dem Konvent für Deutschland beschäftigt, stößt immer wieder darauf, daß diese Einrichtung auch mit Medienvertretern kooperieren. In seinem Buch »Meinungsmache« kritisiert Albrecht Müller, daß Medien immer mehr zu Kampagnenjournalismus neigen, hintergründige Recherche und kritische Distanz vermissen lassen. Dieser Eindruck drängt sich in der Tat auf.

Zu denken ist da zunächst an die Kooperation der durch die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mit der WirtschaftsWoche im Rahmen des sogenannten »Merkelmeters« und dem heutigen »Deutschland-Check«. Nicht nur der Internetauftritt dieser Dauerstudien ist auch mit dem Logo der WirtschaftsWoche verziert. Im Rahmen solcher Kooperationen erhalten die Medienpartner in der Regel den ersten, exklusiven Zugang zu den Ergebnissen solcher Studien und Rankings. Allein das schon macht sie befangen und verhindert, daß die Ergebnisse und Methoden kritisch hinterfragt werden.

Auch bei der Berichterstattung über den sogenannten »Bildungsmonitor« geben sich die Medien hinsichtlich der Ergebnisse und Methoden bei der Erstellung dieses Rankings auffällig unkritisch. Dies stellt auch Tobias Kaphegyi in seiner Studie für die GEW fest. Zwar besteht beim »Bildungsmonitor« zurzeit keine Kooperation mit anderen Medien, aber letztlich haben offenbar auch andere Kooperationen dazu geführt, daß die INSM als Lieferant scheinbar seriöser Studien einfach so akzeptiert wird. Das kritische Nachfragen und die Überprüfung, was eigentlich hinter der Studie steckt, unterbleibt. In der Öffentlichkeit nehmen nicht nur die Medien sondern auch die Ministerien die Ergebnisse der Studie unkritisch entgegen.

Ein weiterer Tiefpunkt unkritischer Kooperation von Medienvertretern mit einer interessengebundenen Ideenagentur ist das Buch »Mut zum Handeln«, das von Mitgliedern des Konventkreises des Konvents für Deutschland herausgegeben wurde. In diesem Buch äußern sich die Mitglieder des Konvents und des Trägervereins zu politischen Fragen. Dies tun sie in Form von »Interviews« mit Vertretern von journalistischen Fernseh- und Printmedien. Dabei tun sich die beteiligten Journalisten von Stefan Aust (SPIEGEL) über Ulrich Deppendorf (ARD), Roland Tichy (WirtschaftsWoche) bis Uwe Vorkötter (Frankfurter Rundschau) in unterschiedlichen Abstufungen als Stichwortgeber hervor. Sie treten nicht nur als private Personen auf, sondern werden in den Beiträgen auch mit ihren Funktionen in den jeweiligen Medien genannt, was die Glaubwürdigkeit der Botschaften des Buches wohl unterstreichen soll.

Genau um diesen Punkt geht es letztlich bei der Einbindung von Medien durch interessengebundene Ideenagenturen und Lobbyisten: Durch die Anwesenheit von Journalisten sollen den Botschaften, die über diese vermittelt werden, Glaubwürdigkeit und Überparteilichkeit verliehen werden. Statt aufzuklären werben Medien für Ideen. Das ist nicht ihre Aufgabe und führt dazu, daß sie sich für Interessen einspannen und korrumpieren lassen. Die notwendige distanziert-kritische Berichterstattung fällt aus, wenn sich die Medien mit Interessen zusammentun.

Statt dessen wäre die Aufgabe der Medien, kritische Berichterstattung auszuüben, die Hintergründe von Interessen und Veröffentlichungen zu recherchieren, statt ihnen assistierend zur Seite zu stehen. Statt den Mächtigen mit Stichworten zu ihrer Selbstdarstellung zu verhelfen, sollten die Medien mit gründlicher Recherche ihre Interessen offenlegen und in der Öffentlichkeit kritisch auch über Alternativen diskutieren. Nur so entsteht eine pluralistische Demokratie, in der sich die Bürger/innen zwischen den unterschiedlichen Alternativen entscheiden können, über die kritisch und hintergründig berichtet wird.

Das findet in der letzten Zeit jedoch immer weniger statt. Einer der augenfälligsten Tiefpunkte medialer Gleichschaltung war die Motivationskampagne »Du bist Deutschland«, in deren Rahmen sich praktisch alle großen Medienhäuser mit der neoliberalen Botschaft dieser Kampagne gleichschalten ließen. Dies ist ein ernstes Problem für die Demokratie, die auf eine kritische Medienberichterstattung angewiesen ist.

Ein jüngeres Beispiel für die Kooperation eines Mediums mit der INSM ist der Essaywettbewerb von INSM und Zeitverlag. Auch hier arbeitet eine große Zeitung mit der INSM zusammen und beraubt sich damit der Möglichkeit, über die Ergebnisse des Wettbewerbs hintergründig und kritisch zu berichten, weil sie selbst daran beteiligt ist. Ob die Auswahl des gewinnenden Beitrags von den Interessen der INSM geleitet wird - was nahe liegt, denn solche Veranstaltungen sind für die INSM nun einmal ein Vehikel, um ihre Botschaften in die Öffentlichkeit zu transportieren -, dürfte in den Berichten der ZEIT wohl eher nicht erwähnt werden. Dies ist der Preis, den die Medien für die Kooperation bezahlen, und dieser Preis ist mehr noch ärgerlich für die Leser, die diese Hintergründe nicht durchschauen können, weil sie in der Regel nicht transparent sind.

Notwendig wäre hier eine neue Kultur der Recherche, wie auch das Netzwerk Recherche - ein Zusammenschluß kritischer Journalisten, die sich für mehr Qualität in der Recherche bei den Medien einsetzen - sie fordert. Nur wenn die Öffentlichkeit durch die Medien kritisch aufgeklärt wird, ist Demokratie möglich. Dazu ist es zwingend notwendig, daß sich die Medien nicht länger auf Kuppelgeschäfte mit Interessengruppen einlassen.

© Udo Ehrich 17.02.2012

 


Buchveröffentlichung: INSM & Co. Wie die Wirtschaft unser Bewußtsein steuern will

Die 5. aktualisierte und erweiterte Auflage ist im Buchhandel und Online-Shops wie und ebook.de und buecher.de erhältlich. - auch als E-Book unter anderem bei: ebook.de oder weltbild.de

Inhaltsverzeichnis und Leseprobe

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft wurde Anfang 2000 ins Leben gerufen nachdem die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektronindustrie erschreckt feststellten, daß sich der größere Teil der Bevölkerung einen starken Sozialstaat wünscht. Gesamtmetall nahm mit Erschrecken zur Kenntnis, daß die Menschen dem Staat mehr vertrauten als dem Markt.

Dies war der Ausgangspunkt um eine Werbeagentur damit zu beauftragen, den Menschen die "neue soziale Marktwirtschaft" nach Lesart der Arbeitgeberverbände schmackhaft zu machen: Weniger Staat, mehr Markt, Privatisierung sozialer Risiken zur Entlastung der Arbeitseinkommen, Haushaltsdisziplin des Staates und Sparen vor allem im sozialen Bereich.

Dies Buch schaut sich in erster Linie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft an und diskutiert die Strategien und Vorgehensweise dieser Einrichtung. Neben einer intensiven Befassung mit der INSM wird auch ein Blick auf die Kampagne "Du bist Deutschland" geworfen sowie weitere Ideenagenturen untersucht und deren Verbindungen oder Gemeinsamkeiten mit der INSM beleuchtet.