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»Klassiker der Ökonomie« - eine Buchrezension

 

Vor wenigen Wochen erschien bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in der Schriftenreihe das Buch »Klassiker der Ökonomie«, herausgegeben von Michael Hüther. Darin erschöpfen sich die Informationen, die man von der Bundeszentrale für politische Bildung auf ihrer Homepage bekommt.

Michael Hüther, also der Herausgeber, ist Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) und Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), welche wiederum finanziell abhängig ist vom Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie. Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln ist ein wissenschaftlicher Think Tank der Arbeitgeberverbände, der seine Dienstleistungen auch der INSM zur Verfügung stellt - die meisten wissenschaftlichen Studien der INSM stammen aus dem Hause Hüther.

Das ist aber noch nicht alles, was wissenswert ist über das Buch »Die Klassiker der Ökonomie«. In diesem Buch werden verschiedene Theorien der Wirtschaftswissenschaften zusammengefaßt. Hierbei wird auf Zusammenfassungen von getAbstract zurückgegriffen, eine Einrichtung, die sich damit beschäftigt, (wissenschaftliche) Theorien und Bücher auf wenige Seiten zusammenzufassen. Diese Zusammenfassungen werden dann anschließend kommentiert. Unter den Kommentatoren sind vier Botschafter der INSM, nämlich der bereits genannte Michael Hüther, darüber hinaus Thomas Straubhaar, Juergen B. Donges und Hans D. Barbier.

Welchen Sinn diese Kommentierung der ökonomischen Theorien haben, kann man nur erraten, wenn man sich diese Kommentierung zu Gemüte führt. Darauf soll jedoch weiter unten noch eingegangen werden. Welchen Hintergrund die weiteren Kommentatoren haben, wird auf den Nachdenkseiten dokumentiert.

Zur Entstehungsgeschichte dieses Buches, die der Leser auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung ebenfalls nicht erfährt, ist auf der Homepage der INSM nachzulesen [hier: Seite über Internet-Archiv »Wayback-Machine«, daß sie aus einer Reihe hervorging, die zunächst durch die Financial Times Deutschland veröffentlicht wurde in Zusammenarbeit mit der INSM. Im Vorwort zu dem Buch wird der INSM und der Financial Times Deutschland für die Grundlegung dieses Projektes gedankt, ohne jedoch einen Hinweis zu liefern, daß es sich bei der INSM um eine Arbeitgeberlobby handelt. Ebenfalls werden die obengenannten Botschafter der INSM nicht als solche im Buch ausgewiesen, obwohl zumindest in den Kurzbiographien am Ende des Buches die Gelegenheit dazu gewesen wäre.

Das Buch selbst kann sowohl über die Bundeszentrale für politische Bildung zu einer Bereitstellungspauschale von € 2,- bestellt werden, es wird jedoch auch kostenlos über die Homepage der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft vertrieben. Die beiden Ausgaben dieses Buches unterscheiden sich nur dadurch, daß das Exemplar der INSM auch das Logo der INSM auf der Titelseite trägt, und an der Seite des Buches die Band-Nummer der Bundeszentrale fehlt, ansonsten sind beide Bücher vollkommen identisch. Auch in der INSM-Ausgabe findet sich im Buch der Verweis auf die Bundeszentrale für politische Bildung.

Es entsteht also für den Besucher der Bundeszentrale für politische Bildung der Eindruck, daß es sich hier um ein Werk handelt, in welchem objektiv und mit dem Ziel der politischen Bildung die Klassiker der Ökonomie vorgestellt werden. Der lobbyistische Hintergrund des Herausgebers, sowie vier der Kommentatoren geht weder aus der Seite der Bundeszentrale hervor, noch aus dem Inhalt des Buches. Der Hintergrund der INSM wird weder auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung, noch in dem Buch erläutert. Die INSM indes verweist voller Stolz darauf, daß das Buch in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung entstanden ist. Hier wird die Glaubwürdigkeit der Bundeszentrale verwendet, um die eigenen Botschaften unter die Menschen zu bringen.

Eine gewagte Behauptung? Auszüge aus den Kommentaren zeigen das Gegenteil. Mit den Kommentaren ist das Buch »Klassiker der Ökonomie« aufgebaut wie das Buch »Demokratietheorien«, welches ebenfalls im Programm der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen ist. Jedoch werden bei den Demokratietheorien Auszüge aus den Originaltexten gewählt und diese ebenfalls kommentiert, jedoch nicht mit einer derartig klaren politischen Stoßrichtung, wie es bei dem Buch »Klassiker der Ökonomie« der Fall ist. Auch optisch ist das Buch »Klassiker der Ökonomie« gestaltet wie die »Demokratietheorien«, auf deren Buchdeckel ebenfalls vier Theoretiker abgebildet sind.

Wurden jedoch in den Kommentaren zu den »Demokratietheorien« diese nur erläutert, wird im Gegensatz hierzu im Buch »Klassiker der Ökonomie« in einer Weise kommentiert, die offensichtlich den Leser zu einer bestimmten Interpretation der Zusammenfassungen der Klassiker leiten soll. Neben Anmerkungen zu den Texten der Klassiker finden sich klare politische Forderungen der INSM in den Kommentaren wieder.

So schreibt INSM-Botschafter Thomas Straubhaar in seinem Kommentar zu Adam Smith:

»Die »unsichtbare Hand« des Marktes wird immer noch und immer wieder beschworen, auch wenn die sichtbare Hand der Politik oder die raffende Hand des Sozialstaats in Europa der Nachkriegszeit wesentlich stärkeren politischen Zulauf erfahren haben.« (Seite 46)

Der INSM-Botschafter Juergen B. Donges fordert in seinem Kommentar zu David Ricardo eine weitere Senkung von Handelshemmnissen und bezeichnet den internationalen Handel als »öffentliches Gut«, welches sorgsam gepflegt werden müsse. Dann führt er aus:

»Zweitens sollte man Forderungen nach einer Wiedereinführung von Kapitalverkehrsbeschränkungen (Tobin-Steuer) eine klare Absage erteilen. Auf einem zusammenweachsenden Weltkapitalmarkt kann das Kapitalangebot effizienter genutzt werden als auf einem fragmentierten; eine effiziente Kapitalallokation führt allemal zu mehr Wohlstand.« (Seite 67)

Die INSM gründet ihr Selbstverständnis auf Ludwig Erhard. Bei vielen Gelegenheiten beruft sie sich auf ihn als den »Erfinder« der »sozialen Marktwirtschaft«, welches sie als ihr Leitbild vorgibt. So versteht es sich von selbst, daß Ludwig Erhard nicht nur in diesem Buch ein Platz unter den »Klassikern der Ökonomie« findet, sondern auch von einem INSM-Botschafter, nämlich Thomas Straubhaar, kommentiert wird. In diesem Kommentar führt Straubhaar unter anderem aus:

»Ludwig Erhard hat vorgelebt, dass eine konsequente Wirtschaftspolitik letztlich auch dann mehrheitsfähig wird, wenn für weite Teile der Bevölkerung schmerzliche Einschnitte in Besitzstände und die Aufgabe kurzfristiger Eigeninteressen die Folge sind. Es entspricht nicht nur der Erfahrung Ludwig Erhard, sondern auch derjenigen führender Reformer wie Ronald Reagan, Margaret Thatcher oder Roger Douglas, dass man mit einer nachhaltigen Modernisierung der Wirtschaftspolitik dem Druck der Interessengruppen und in einer Demokratie dem Druck der Mehrheit dann widerstehen kann, wenn man auf einem soliden ordnungspolitischen Fundament steht.« (Seite 224 f).

Sieht man einmal davon ab, daß dieser Auszug dicht an der Geschichtsverdrehung ist, denn zu Erhards Zeiten expandierte der Sozialstaat und wurde nicht etwa, wie im Kommentar impliziert, zurück gebaut, noch weniger fanden »schmerzliche Einschnitte« in dieser Zeit statt, offenbart sich hier ein bemerkenswertes Demokratieverständnis: Wenn man nur auf einem »soliden ordnungspolitischen Fundament« steht, kann man sich in einer Demokratie auch getrost dem Druck der Mehrheit widersetzen. Dies impliziert das Bild der starken Führungspersönlichkeit, die sich über Mehrheiten in der Bevölkerung hinwegsetzt und tut, was »richtig und notwendig« ist.

Diese Auszüge aus den Kommentaren zu den »Klassikern der Ökonomie« zeigen exemplarisch, daß sich durchaus die Frage aufwirft, was dies noch mit politischer Bildung zu tun haben könnte. Es sind eindeutig politische Positionierungen, und die Methode, die hier angewandt wird, ist für die INSM nicht untypisch. Mit Hilfe von Multiplikatoren sollen die politischen Inhalte der INSM unter die Menschen gebracht werden. Unter dem Banner der politischen Bildung zu segeln vermittelt dabei die notwendige Glaubwürdigkeit, die ideologische Glaubenssätze in unausweichliche Tatsachen verwandeln soll.

© Udo Ehrich 14.03.2007

 


Buchveröffentlichung: INSM & Co. Wie die Wirtschaft unser Bewußtsein steuern will

Die 5. aktualisierte und erweiterte Auflage ist im Buchhandel und Online-Shops wie und ebook.de und buecher.de erhältlich. - auch als E-Book unter anderem bei: ebook.de oder weltbild.de

Inhaltsverzeichnis und Leseprobe

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft wurde Anfang 2000 ins Leben gerufen nachdem die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektronindustrie erschreckt feststellten, daß sich der größere Teil der Bevölkerung einen starken Sozialstaat wünscht. Gesamtmetall nahm mit Erschrecken zur Kenntnis, daß die Menschen dem Staat mehr vertrauten als dem Markt.

Dies war der Ausgangspunkt um eine Werbeagentur damit zu beauftragen, den Menschen die "neue soziale Marktwirtschaft" nach Lesart der Arbeitgeberverbände schmackhaft zu machen: Weniger Staat, mehr Markt, Privatisierung sozialer Risiken zur Entlastung der Arbeitseinkommen, Haushaltsdisziplin des Staates und Sparen vor allem im sozialen Bereich.

Dies Buch schaut sich in erster Linie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft an und diskutiert die Strategien und Vorgehensweise dieser Einrichtung. Neben einer intensiven Befassung mit der INSM wird auch ein Blick auf die Kampagne "Du bist Deutschland" geworfen sowie weitere Ideenagenturen untersucht und deren Verbindungen oder Gemeinsamkeiten mit der INSM beleuchtet.